Zur Erinnerung: Beim Projekt mit dabei sind neben dem BDG die BDG-Service GmbH sowie die VDEh-Betriebsforschungsinstitut GmbH (BFI) sowie als Industriepartner Fondium Mettmann, das Eisenwerk Brühl sowie M. Busch aus Bestwig. Das Projekt will sehr grundsätzlich die Vision einer dekarbonisierten Gießerei-Industrie entwickeln und die dafür relevanten technischen sowie wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen ableiten.
Das Projekt hat eine Laufzeit von 24 Monaten und benötigt eine solide Datenbasis für alles weitere. Diese Basis – hier die tatsächliche Zahl der Gießereien in NRW – musste erst erarbeitet werden. Selbstverständlich hat der BDG einen Überblick über den organisierten Anteil dieser Betriebe. Eine belastbare Zahl für die Grundgesamtheit existierte jedoch vor Projektbeginn nicht. Nach sorgfältiger Recherche war dieser Punkt geklärt: Exakt 194 Betriebe in NRW sind „Gießereien“. Die Zahl ist wichtig, denn das Projekt will ja zunächst systematisch berechnen, wie viel CO2 die Betriebe insgesamt emittieren. Dann ist natürlich zu erfassen, welche Schmelzaggregate genutzt werden. Diese und viele weitere Fragen und Details flossen in das erste Arbeitspaket ein. Im nächsten Projektschritt erfolgte daher eine Online-Umfrage. Besonders im Fokus stand die Abfrage nach den eingesetzten Energieträgern und der genauen Verteilung der Schmelzaggregate, insbesondere die koksbetriebenen Kupolöfen und die Öl-befeuerten Drehtrommelöfen.
Da sich während der Projektlaufzeit die politischen Rahmenbedingungen jederzeit ändern können, wurde, um mit den jeweils aktuellen Entwicklungen Schritt zu halten, ein Lenkungskreis eingerichtet. In diesem sind neben den assoziierten Partnern auch weitere am Projekt interessierte Gießereien involviert, um die drängendsten Herausforderungen der Transformation aus ihrer Sicht zu thematisieren und einzubringen.
Auf Basis der gesammelten Daten werden in den nächsten Arbeitspaketen zum einen praxisnahe Handreichungen für Gießereien in Form eines Kompasses erarbeitet als auch ein Transformationspfad für die Gießereibranche entwickelt. Doch um diesen Transformationspfad zu skizzieren, benötigt die Branche Technologien und Ressourcen, welche die Reduktion von CO2 möglich machen und Brücken auf dem Weg zur Klimaneutralität schlagen. Im Folgenden verschiedene Lösungsansätze, die in der Regel praktische Erprobung benötigen und Gegenstand der Forschung sein werden. Dabei muss unterschieden werden, welche Klimaziele wann erreicht sein sollen.
Auf Grundlage des Bundesklimaschutzgesetzes ergibt sich für die gesamte Industrie ein CO2-Reduktionsziel von etwa 37 % für 2030 auf Basis des Jahres 2020. Das heißt, für die schon ambitionierten Zwischenziele 2030 bedarf es keiner vollständigen Substitution fossiler Energieträger bzw. neuer Technologien und Kompensationen, die eine klimaneutrale Produktion ermöglichen. Erst bis zum Jahre 2045 müssen alle Prozesse annähernd klimaneutral ablaufen bzw. bilanziert werden. Selbst hier soll ein Ausgleich der restlichen, nicht oder sehr schwer vermeidbaren Emissionen durch Negativemissionen erfolgen. So ist etwa bis zum Jahr 2040 eine Reduktion der gesamten Emissionen um 88 % vorgeschrieben. Das bedeutet für alle zurzeit fossil betriebenen Aggregate: Ein Betrieb ist weiterhin möglich, wird aber durch die CO2-Bepreisung und zunehmende staatlichen Eingriffe weiter verteuert. Der Umstieg in klimaneutrale Energieträger wird zur strategischen Aufgabe für jedes einzelne Unternehmen und hängt ganz wesentlich vom Zeitpunkt der Verfügbarkeit und Wirtschaftlichkeit von Alternativen ab. Bei den fossilen Energieträgern können eine Optimierung der Verfahren und auch eine Teilsubstitution von fossilen Energieträgern wichtige Meilensteine zur Erreichung der Klimaziele 2030 und 2040 beisteuern.
Daraus ergeben sich erste Ansätze zur Dekarbonisierung: Elektrischer Strom als ein Hauptenergieträger dient in Gießereien primär zum Betrieb von Induktions‑, Lichtbogen- und Widerstandsöfen. Zudem benötigen sämtliche Kompressoren, Ventilatoren, Hubanlagen und weitere Aggregate Strom in nicht vernachlässigbarer Menge. Gießereien können den Teil der auf Strom entfallenden CO2-Emissionen reduzieren, indem sie prüfen, ob Strom CO2-neutral zu beziehen ist. Ebenfalls sollte eruiert werden, inwieweit eine Eigenstromerzeugung z.B. mittels Photovoltaik auf den meist großen Dachflächen der Produktionsstätten möglich ist. Dies kann nicht nur aus CO2-Sicht einen Vorteil bieten, sondern auch unabhängig von Strompreisen an der Börse machen, die wohl auf längere Sicht nicht nur der Gießereibranche Sorgen bereiten. Wo dies im Mehrschichtbetrieb nicht ausreicht, kann die Nutzung von Windstrom dazu beitragen, eine tageskonstante Produktion sicherzustellen.
Um Kupolöfen weiter nutzen zu können, wäre der Einsatz von Biokoks eine Alternative. Die große Herausforderung besteht in der Verfügbarkeit von adäquaten Substituten für Gießereikoks. Häufig sind karbonisierte Biomassen in Pulverform verfügbar, Angebote von Biokoks in Brikettform fehlen noch bzw. sind überschaubar – hier muss die zukünftige Nachfrage mit den potenziellen Lieferanten zusammengeführt werden. Eine Optimierung der Binder für die Brikettierung sowie die Erfüllung der Anforderungen aus dem Schmelzprozess, wie etwa Porosität und Stückgröße, sind Bestandteil laufender und geplanter Entwicklungsarbeiten. Für den kostengünstig transportierbaren pulverförmigen Biokoks wäre das Einblasen – analog zu Braunkohlestaub – in den Kupolofen eine Einsatzmöglichkeit.
Eine weitere Alternative ist Wasserstoff, der gasförmig eingedüst bzw. über geeignete Brenner genutzt werden könnte. Die laufenden Wasserstoffprojekte in der Stahlindustrie liefern interessante Hinweise, inwieweit ein Einsparpotenzial vorhanden ist. Außerdem lässt sich auch ableiten, wie aufwendig ein Umbau einer solchen Anlage sein kann. Eine weitere Möglichkeit ist der Transfer der Erkenntnisse aus dem Betrieb des kokslosen Kupolofens. Hierbei handelt es sich jedoch um Forschungsvorhaben, die in naher Zukunft noch nicht in der Praxis realisierbar sind, aber als Lösung für die geforderte Klimaneutralität bis 2045 denkbar sind. Das VDEh-Betriebsforschungsinstitut wird federführend mit seiner Expertise einen Blick auf die mögliche Breakthrough-Technologie Wasserstoff werfen, um den Fokus für die zukünftige Betrachtung zu schärfen.
Die nächsten Projektschritte betrachten Rahmenbedingungen und Hemmnisse der Transformation. Parallel arbeitet das Projektteam am Kompass zur Dekarbonisierung, um Gießereien praktische Hilfen zur Verfügung stellen zu können.