Den Auftakt machte Anfang Mai 2022 der Deutsche Gießereitag. Der BDG lud in die MCC-Halle Münsterland zu Fachvorträgen, Diskussionsrunden und Fachausstellung. Rund 430 Teilnehmer genossen es, sich endlich wieder persönlich austauschen zu können, nachdem der Gießereitag zweimal pandemiebedingt ausfallen musste. Im Vordergrund der Diskussion zwischen den Gießereiunternehmern Gerd Röders und Josef Ramthun sowie Dr. Heinz-Jürgen Büchner von der Deutschen Industriebank und BDG-Hauptgeschäftsführer Max Schumacher standen zum Abschluss des ersten Tages zwar die im Zuge der Ukrainekrise gestiegenen Rohstoff- und Energiepreise und die Sorge um so manchen Mittelständler, der trotz geringer Margen die gestiegenen Energiepreise nicht an seine Kunden weitergeben kann. Aber Max Schumacher dachte während dieser Podiumsdiskussion auch in puncto Energiepreisen schon über die Krise hinaus: Wenn Strom die Energie der Transformation sein solle, müsse ein Industriestrompreis her. Und bereits bei der vorherigen Vorstellung der vom BDG beauftragten Studie „Guss 2035 – Neue Perspektiven für die Gießerei-Industrie“ ging es um die mittel- und langfristigen Chancen der Branche in Zeiten der Transformation. Einschätzungen, die in der abschließenden Podiumsdiskussion zwischen Stefan Mettler, ehemaliger Geschäftsführer der Gießerei Siempelkamp und Autor der Studie, und Experten aus der Branche, vertieft wurden.
Im Juni ging es dann mit der Euroguss und dem Druckgusstag in Nürnberg sowie der CastForge und dem ersten Eisengussforum in Stuttgart Schlag auf Schlag. Die angespannte Lage der Branche prägte die von Anfang Dezember 2022 auf Anfang Juni 2023 verschobene Euroguss – schließlich befindet sich die Gießerei-Industrie mitten in einer Phase massiven Umbruchs. Die Nachricht von der Mehrheit im EU-Parlament für das Verkaufsverbot von Neuwagen mit Verbrennermotor ab 2035 beeindruckte demgegenüber kaum einen Teilnehmer. BDG-Präsident Clemens Küpper betonte in seiner Eröffnungsrede die aktuellen Schwierigkeiten durch den Ukrainekrieg – nur um gleichzeitig auf die Bedeutung politischen Handelns hinzuweisen. Stabile politische Rahmenbedingungen – das forderte auch Hartmut Fischer, Vorsitzender des Verbandes Deutscher Druckgussgießereien (VDD) in seiner Rede zur Eröffnung des 21. deutschen Druckgusstages, der auf der Euroguss stattfand. Nur wenige Wochen später freute sich die CastForge über gestiegene Ausstellerzahlen. Auch in Stuttgart wurden Rohstoff- und Energiepreise stark diskutiert, ebenso wie die mangelnden eindeutigen Rahmenbedingungen der Politik. Der BDG war mit seinem Messestand zentraler Ansprechpartner für die Gießer.
Die passenden Rahmenbedingungen von der Politik zu erhalten – das geht nur, wenn die Anforderungen der Branche auf dem politischen Parkett präsent sind. Ein Anfang dazu wurde auf beiden Veranstaltungen gemacht. Roland Weigert, Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie; trat auf dem Eingangspanel der Euroguss auf. Anschließend besuchte er die Messestände der Gießer, Ministerialdirektor Michael Kleiner aus dem Wirtschafts-Ministerium von Baden-Württemberg tat dasselbe auf der CastForge.
Aufgrund der Verschiebungen durch die Pandemie fallen gleich zwei Druckgusstage in den Berichtszeitraum. Auffallend ist, dass sich beide Veranstaltungen durch ein zeitgemäßes, präzise zusammengestelltes Programm und Vortragende aus Industrie und Forschung auszeichneten. Gerade der Druckgusstag im veranstaltungsreichen März 2023 fiel hier gegenüber vielen Veranstaltungen wohltuend auf. Ein Qualitätsmerkmal für die vom VDD organisierte Tagung, das gespannt macht auf das nächste Jahr. Der Europäische Druckgusspreis für 2024 ist jedenfalls bereits ausgeschrieben.
Welches Fazit können wir aus den Tagungen und Messen 2022/2023 ziehen? Neben rein technischen Themen stehen nun auch allgemeine Themen aus dem unternehmerischen Tun, aus Politik und Gesellschaft auf der Agenda. Damit spiegeln die Vorträge eines wider: Technische Lösungen bleiben die Grundlage für den Wandel, aber sie reichen nicht mehr aus, um als Branche in Deutschland zu bestehen. Dazu braucht es Rahmenbedingungen, die letztlich nur die Politik schaffen kann. Und die es aktiv einzufordern gilt.