Ergeb­nis­se aus dem Pro­jekt KaWaGi

Fach­kräf­te­man­gel und demo­gra­fi­schem Wan­del begegnen

Nach­wuchs­kräf­te sind knapp, gro­ße Tei­le von Beleg­schaf­ten in der Gie­ße­rei­bran­che gehen in den nächs­ten Jah­ren in den Ruhe­stand. Vor die­sem Hin­ter­grund hat der BDG zusam­men mit wei­te­ren Part­nern das Pro­jekt KaWa­Gi gestar­tet mit dem Ziel, die Arbeits- und Beschäf­ti­gungs­fä­hig­keit der Mit­ar­bei­ter zu erhal­ten, unter­neh­me­ri­sches Wis­sen zu sichern und die Wett­be­werbs­fä­hig­keit zu stärken.

Das Pro­jekt „KaWa­Gi“ wur­de vom Berufs­for­schungs- und Bera­tungs­in­sti­tut für inter­dis­zi­pli­nä­re Tech­nik­ge­stal­tung (BIT e.V.) als Pro­jekt­trä­ger, dem BDG-Lan­des­ver­band NRW, der Fach­ver­ei­ni­gung Kalt­walz­wer­ke sowie der IG Metall von April 2019 bis Sep­tem­ber 2022 durch­ge­führt – mit Mit­teln des euro­päi­schen Sozi­al­fonds (ESF) und des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Arbeit und Sozia­les (BMAS).

In der Gie­ße­rei-Indus­trie haben sich in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten zwar die kör­per­li­chen Stra­pa­zen ver­rin­gert, ver­fah­rens­be­dingt kom­ple­xe Pro­zes­se sowie voll­kon­ti­nu­ier­li­che Arbeits­ab­läu­fe erzeu­gen jedoch wei­ter­hin hohe phy­si­sche und psy­chi­sche Belas­tun­gen. Hin­zu kom­men Pro­ble­me durch Arbeits­ver­dich­tung, stei­gen­de Qua­li­täts­an­for­de­run­gen und Digi­ta­li­sie­rung. Die­se Her­aus­for­de­run­gen sind mit Beleg­schaf­ten von rela­tiv hohem Alters­durch­schnitt, einem hohem Anteil An- und Unge­lern­ter sowie einem Anteil von Beschäf­tig­ten mit Sprach­bar­rie­ren zu bewäl­ti­gen. Hin­zu kommt ein ver­gleichs­wei­se hoher Krankenstand.

Dies alles wirkt nega­tiv auf das Bran­chen­image und führt zuneh­mend zu Schwie­rig­kei­ten bei der Gewin­nung von Nach­wuchs- sowie von Fach­kräf­ten. Alle Unter­neh­men arbei­ten mit alters­zen­trier­ten Beleg­schaf­ten, was zum einen die AU-Quo­te erhöht und zum ande­ren bedeu­tet, dass in den nächs­ten 5 bis 10 Jah­ren bis zu einem Drit­tel der Beschäf­tig­ten ren­ten­be­dingt aus­schei­den. Jün­ge­re Beschäf­tig­te hin­ge­gen legen gro­ßen Wert auf eine aus­ge­gli­che­ne Work-Life-Balan­ce, das Inter­es­se an einer Arbeit in Fer­ti­gungs­be­rei­chen und mit Schicht­ar­beit ist ten­den­zi­ell gerin­ger aus­ge­prägt, sodass Bewer­ber­quo­ten sinken.

Daher müs­sen die Beschäf­tig­ten durch geeig­ne­te Maß­nah­men gesund erhal­ten und die Arbeits­plät­ze auch für gerin­ger Qua­li­fi­zier­te ent­spre­chend aus­ge­stat­tet wer­den. Auto­ma­ti­sie­rung und Digi­ta­li­sie­rung müs­sen Per­so­nal­ver­lus­te aus­glei­chen und das Image des Unter­neh­mens bzw. der Bran­che muss ver­bes­sert wer­den. Die am Pro­jekt betei­lig­ten Unter­neh­men haben dem­entspre­chend ihre Hand­lungs­fel­der defi­niert und Ver­lauf des Pro­jekts wei­ter­ent­wi­ckelt und konkretisiert.

Um die Hand­lungs­fel­der aus­zu­fül­len, wird das Betrieb­li­che Gesund­heits­ma­nage­ment (BGM) genutzt. Dabei geht es um die Gestal­tung gesun­der Arbeits­be­din­gun­gen und die Befä­hi­gung der Beschäf­tig­ten zu einem gesund­heits­för­der­li­chen Ver­hal­ten. Ziel ist es, durch Arbeits­ge­stal­tung die Gesund­heit und die Leis­tungs­fä­hig­keit eines Beschäf­tig­ten bis zum Ren­ten­ein­tritt zu för­dern, die Tätig­keit der Qua­li­fi­ka­ti­on ent­spre­chend anzu­pas­sen (und umge­kehrt) und indi­vi­du­el­le Poten­zia­le zu för­dern und für das Unter­neh­men zu nutzen.

Gesund­heits­för­der­li­che und siche­re Arbeits­ge­stal­tung muss bereits vor der Inves­ti­ti­on in Arbeits­mit­tel begin­nen, da z.B. Maschi­nen und Anla­gen zum Teil über sehr lan­ge Zeit genutzt wer­den. Zudem sol­len die spä­te­ren Benut­zer als Exper­ten für ihre Arbeits­plät­ze ein­be­zo­gen werden.

Vor dem Hin­ter­grund alters­zen­trier­ter Beleg­schaf­ten gewinnt beson­ders die ganz­heit­li­che Gefähr­dungs- und Belas­tungs­be­ur­tei­lung (GBU) an Bedeu­tung, weil sie Defi­zi­te in der Arbeits­ge­stal­tung, der Arbeits­or­ga­ni­sa­ti­on, den Arbeits­ab­läu­fen sowie der Füh­rungs- und Unter­neh­mens­kul­tur auf­spürt. Sie berück­sich­tigt auch die sich im Lau­fe des Lebens­al­ters ver­än­dern­den Leis­tungs­fä­hig­kei­ten und ist das zen­tra­le Instru­ment bei der Gestal­tung attrak­ti­ver und gesund­heits­för­der­li­cher Arbeits­plät­ze. Dabei wer­den die kör­per­li­chen, psy­chi­schen und die Belas­tun­gen aus der Arbeits­um­ge­bung erfasst. Über die rei­ne Erfül­lung des gesetz­li­chen Auf­tra­ges hin­aus, hat die Gestal­tung der Tätig­kei­ten nach arbeits­wis­sen­schaft­li­chen Kri­te­ri­en sowohl den wirt­schaft­li­chen Erfolg als auch die För­de­rung der Gesund­heit der Beschäf­tig­ten zum Ziel. So kön­nen Stö­run­gen und Hin­der­nis­se bei der Erfül­lung der Arbeits­auf­ga­ben Hin­wei­se zur Opti­mie­rung betrieb­li­cher Abläu­fe geben.

Zunächst ist eine sys­te­ma­ti­sche Erfas­sung aller kör­per­li­chen Belas­tungs­ar­ten not­wen­dig, um ent­spre­chend Hand­lungs­be­dar­fe zu erken­nen. Fer­ti­gungs­be­ding­te Belas­tun­gen aus der Arbeits­um­ge­bung in Gie­ße­rei­en las­sen sich sicher­lich nicht gänz­lich ver­hin­dern, um aber Arbeits­plät­ze attrak­ti­ver zu gestal­ten, sind geeig­ne­te tech­ni­sche und arbeits­or­ga­ni­sa­to­ri­sche Gestal­tungs­maß­nah­men unab­ding­bar. Die Erhe­bung psy­chi­scher Belas­tun­gen ver­ur­sacht noch immer vie­len Gie­ße­rei­en Pro­ble­me. Dabei kommt es in den ver­gan­ge­nen Jah­ren zu einer erheb­li­chen Zunah­me psy­chi­scher Belas­tun­gen, die bei lang­zei­ti­gem Ein­wir­ken auf Beschäf­tig­te zu gesund­heit­li­chen Ein­schrän­kun­gen bis hin zu Erkran­kun­gen füh­ren kön­nen. Die Redu­zie­rung psy­chi­scher Belas­tun­gen geht nicht sel­ten mit Effi­zi­enz­stei­ge­run­gen ein­her, weil auch Erschwer­nis­se bei der Durch­füh­rung der Arbeit abge­baut werden.

Eine wesent­li­che Res­sour­ce zum Erhalt und zur För­de­rung der Gesund­heit ist die sozia­le Unter­stüt­zung. Dabei trägt eine wert­schät­zen­de Unter­neh­mens­kul­tur mit hoher sozia­ler Unter­stüt­zung und Betei­li­gung bei Ver­än­de­run­gen u.a. dazu bei, die Leis­tungs­fä­hig­keit und Moti­va­ti­on zu erhal­ten, das Betriebs­kli­ma zu ver­bes­sern, die Kran­ken­quo­te und Fluk­tua­ti­on zu sen­ken. Die Erfah­rung u.a. aus dem KaWa­Gi-Pro­jekt zeigt, dass ein ganz­heit­li­cher und erfolg­rei­cher Ansatz der alterns­ge­rech­ten Arbeits­ge­stal­tung aus dem „Drei­klang“ von Alters­struk­tur­ana­ly­se, Qua­li­fi­ka­ti­ons­be­darfs­ana­ly­se und Gefähr­dungs- und Belas­tungs­ana­ly­se sowie dem dar­aus abge­lei­te­ten Arbeits­platz­ka­tas­ter besteht. Mit die­sen Infor­ma­tio­nen las­sen sich anschlie­ßend Maß­nah­men pla­nen und umset­zen, die das wert­wol­le Erfah­rungs­wis­sen der älte­ren Beschäf­tig­ten iden­ti­fi­zie­ren und früh­zei­tig für das Unter­neh­men sichern durch die Wei­ter­ga­be an die jün­ge­ren Fachkräfte.

Elke Rad­tke
Refe­ren­tin Umwelt- und Arbeitsschutz
Elke Rad­tke
Refe­ren­tin Umwelt- und Arbeitsschutz